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Bewerben in der Wissenschaft aus dem Ausland

Juniorprofessur, Tenure-Track-Stellen oder Forschungsgruppenleitung - unabhängig vom Weg muss eine akademische Karriere an einer Hochschule strategisch geplant werden. Eine überzeugende Bewerbung ist dabei entscheidend. Für die knifflige Bewerbungsphase haben wir Tipps und Ressourcen zusammengestellt.

Karrierewege in der Wissenschaft 

Thomas Wortmann ist seit November 2020 Tenure-Track-Professor, Anna Poetsch leitet ihre Forschungsgruppe seit Juli 2020 und Jan Meisner hat seit April 2021 eine Juniorprofessur inne. Wir haben nachgefragt wie genau ihre Bewerbungswege verliefen und welche Aspekte es bei den einzelnen Stationen zu beachten gibt.

Die drei Wissenschaftler*innen  wurden mit dem Dr.Wilhelmy-GSO-Reisekostenprogramm gefördert. Das Programm ermöglicht Universitäten die Erstattung der Reisekosten von Bewerber*innen, die im Ausland forschen und ihre Karriere in Deutschland fortsetzen oder aufnehmen möchten.

Dr. Thomas Wortmann
Tenure-Track Professor @Universität Stuttgart
Dr. Anna Poetsch
Forschungsgruppenleiterin @BIOTEC, TU Dresden & NCT Dresden
Dr. Jan Meisner
Juniorprofessor @Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

1. Suchen: Wo werden die Stellen ausgeschrieben?

An deutschen Hochschulen werden reguläre Professuren meist öffentlich ausgeschrieben, es besteht aber keine generelle gesetzliche Ausschreibungspflicht für wissenschaftliche Stellen. Hochschulen veröffentlichen ihre aktuellen Ausschreibungen in der Regel auf den entsprechenden Hochschulwebseiten. Wer an eine bestimmte Institution oder Fakultät möchte, sollte immer wieder direkt auf deren Homepage nachschauen oder sich – falls vorhanden – für den Newsletter eintragen.

Auch über Mailinglisten, Stellenportale und akademische Newsletter lassen sich vakante Stellen an Hochschulen online, und daher auch sehr gut aus dem Ausland, finden.

Eine Übersicht und einen Newsletter über den wissenschaftlichen Arbeitsmarkt bietet beispielsweise das Stellenportal „academics“. Mitglieder beim Deutschen Hochschulverband erhalten in regelmäßigen Mailings ebenfalls aktuelle Ausschreibungen.

Auch Social-Media-Kanäle wie Twitter und LinkedIn sind Quellen für wissenschaftliche Stellen. Inzwischen sind viele Hochschulen auf LinkedIn vertreten. Wer selbst nicht aktiv bei Twitter postet, kann dennoch relevanten Unis, Labs oder Forschenden folgen, die häufig Stellenanzeigen teilen.

»Ich habe einerseits über LinkedIn und andererseits über academics gesucht. In den Mailinglisten von fachspezifischen Konferenzen werden Ausschreibungen auch herumgeschickt.«  – Thomas Wortmann

Zentral ist daher kontinuierliches Netzwerken – schon bevor Stellen ausgeschrieben werden, ist es sinnvoll, z.B. Vorträge an Wunschunis oder bei gut vernetzten Kolleg*innen zu halten (auch virtuell) oder über z.B. Twitter niedrigschwellig Verbindungen mit Labs bzw. Forschenden herzustellen (zunächst fachlich). Kontakte aufzubauen bzw. zu pflegen ist insbesondere für Wissenschaftler*innen im Ausland, die eine Rückkehr planen, äußerst ratsam.

Zu beachten ist, dass die Bewerbungsphasen an deutschen Hochschulen mit bis zu 12 Monaten sehr lange dauern können, daher sollte frühzeitig mit der Suche begonnen werden.

»Weil ich weiß, wie langsam die Prozesse in Deutschland ablaufen, ist es sinnvoll, möglichst früh anzufangen sich zu bewerben. Bereits ein Jahr nach Beginn meines Auslandsaufenthaltes in Stanford habe ich die ersten Bewerbungen geschrieben.« – Jan Meisner

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2. Analysieren: Wie ist die Stelle ausgeschrieben?

Ist die passende Stellenausschreibung gefunden, geht es in die Analysephase. Eine intensive Recherche über die Institution ist oft zeitaufwendig, hilft aber, die Bewerbungsunterlagen passgenau zu verfassen.

Die Online-Auftritte der Hochschulen bieten einen Überblick, wie die Fakultäten oder Institute aufgestellt sind. Was sind die Forschungsschwerpunkte? Welche Expertisen sind vorhanden, welche fehlen? Kenne ich womöglich sogar Mitarbeitende dort? Mit wem können mögliche Kooperationen oder interdisziplinäre Projekte realisiert werden?

»Bevor ich meine Bewerbung schreibe, schaue ich mich auf der jeweiligen Homepage um und suche gezielt. In meinem Fall habe ich geschaut, ob es Machine Learner gibt, mit denen man dann algorithmisch zusammenarbeiten kann. Wie sieht es mit den Medizinern aus? Und überlege auch gleich mit, wie ich mich da einbringen kann.« – Anna Poetsch

Wer sich im Vorfeld genauer mit der Institution auseinandersetzt, kann sein Bewerbungsprofil schärfen und abgleichen, wie die Anforderungen aus der Stellenausschreibung erfüllt werden können.

»Relativ zu der Ausschreibung habe ich eine sehr präzise Bewerbung geschrieben. Das war nur möglich, weil das Institut einen informativen Webauftritt hat. «– Thomas Wortmann

Sind Ansprechpersonen in der Anzeige angegeben, sollte der/ die Bewerber*in keine Scheu haben, diese bei Fragen zu kontaktieren.

 

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Für langfristige Sicherheit im deutschen Wissenschaftssystem ist das Karriereziel in den meisten Fällen die Professur. Die Wege dorthin sind vielfältig:

Nachwuchsgruppen-Programme (s. Übersicht) sind in der Regel attraktiv in Ausstattung und Reputation, die W1- oder Juniorprofessur kann zur Sackgasse werden, etwas mehr Planungssicherheit bieten die WISNA-Professuren mit Tenure-Track (gängig sind die Varianten W1 auf W2 oder W3, W2 auf W3 oder seltener W2 auf W2). Die Habilitation verliert in den MINT-Fächern an Bedeutung.


 

3. Bewerben: Was gehört alles in ein akademisches Bewerbungspaket?   

Die nötigen Bewerbungsunterlagen gehen in der Regel aus der Stellenausschreibung hervor und sind je nach Disziplin und Position sehr unterschiedlich. Während Anna Poetsch ihren Lebenslauf mit Anschreiben für die Forschungsgruppenstelle einreichen sollte, gehörte zur vollständigen Professur-Bewerbung von Jan Meisner neben Anschreiben und CV auch ein Forschungs- sowie ein Lehrkonzept.

Grundlegend sollten alle angeforderten Dokumente leserlich und klar aufgebaut sein und Formalitäten, wie einheitliche Formatierung und konsistente Dokumentenbenennung, eingehalten werden.

Die Bewerbungsunterlagen sollten mit einer empathischen Grundhaltung formuliert werden. Eine konkrete, zukunftsorientierte, wenn auch theoretische Darstellung hilft der Berufungskommission die Bewerbenden schon auf dem Papier besser kennenzulernen.

»Ich habe für jede Bewerbung ein wirklich sehr, sehr individuelles Anschreiben und Bewerbungspaket geschrieben, und wurde jedes Mal persönlich eingeladen.

In meinen Unterlagen habe ich klar herausgestellt, mit wem ich in meiner Fakultät bzw. im Fachbereich zusammenarbeiten kann. Wo sind Überschneidungen möglich und wie kann ich mich auch außerfachlich einbringen?« – Jan Meisner

Die Perspektive von außen ist wichtig, um zu überprüfen ob auch alles logisch und für Dritte verständlich aufeinander aufgebaut ist. Die Bewerbungsunterlagen sollten daher gegengelesen werden. Entweder von vertrauten Kollegen oder den Doktoreltern.

»Ich habe mir die Bewerbung von meinem Supervisor angesehen und dann meine eigenen Unterlagen kritisch hinterfragt. Mit jeder Bewerbung habe ich mich immer weiterentwickelt.« – Anna Poetsch

Nicht zu unterschätzen ist der Zeitaufwand für die Bewerbungsunterlagen. Alle relevanten Dokumente für eine akademische Stelle an einer Hochschule zu verfassen, ist sehr zeitintensiv, besonders wenn es die erste Bewerbung ist. Das ändert sich mit Routine und einer gut ausgearbeiteten Basis.

Spätestens beim Abschicken der Unterlagen sollte der eigene Namen in eine Internet-Suchmaschine eingegeben und bestehende Online-Profile aktualisiert bzw. anlegt (Institutsseite, ResearchGate, Academia, LinkedIn, Twitter etc.) werden.

 

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Oft werden die Reisekosten für das persönliche Vorstellungsgespräch von den Hochschulen nicht übernommen. Das Dr. Wilhelmy-GSO-Reisekostenprogramm füllt diese Lücke und ermöglicht eine Kostenerstattung für Bewerber*innen aus dem Ausland in Höhe von bis zu 2000 Euro.

4. “Vorsingen”: Wie präsentiere ich mich persönlich? 

Nach dem Einreichen der vollständigen Bewerbung werden die Unterlagen von der Berufungskommission gesichtet und eine Auswahl passender Kandidat*innen eingeladen. Abhängig von der Anzahl der Bewerbungen können bis zur Einladung drei oder mehr Monate vergehen.

Je nach Institution besteht das “Vorsingen” aus einem Fachvortrag, einer Lehrprobe bzw. Probevorlesung vor Studierenden sowie einem Gespräch mit der Berufungskommission. Was in den Bewerbungsunterlagen als Konzept vorgeschlagen wurde, sollte noch detaillierter ausgearbeitet werden.

»Bei der Probevorlesung habe ich mit Überzeugung dargestellt was ich in der Lehre machen möchte.« – Thomas Wortmann

Bei den Vorträgen sollten die unterschiedlichen Zielgruppen mitgedacht werden. Was ist für die Studierenden relevant? Wie tief kann ich in die Materie einsteigen und die eigene Fachexpertise aufzeigen? Das Publikum besteht nicht nur aus Spezialist*innen, daher ist es wichtig klar zu formulieren und alle Zuhörer*innen abzuholen.

»Es ist ja kein reiner Fachvortrag, sondern man möchte seine Forschung verständlich darstellen. Aber man möchte der Berufungskommission auch zeigen, dass man fachlich mithalten kann.« – Jan Meisner

Nach dem persönlichen Kennenlernen können bis zu zwölf Monate vergehen bevor eine Rückmeldung kommt. Viele Hochschulen informieren über einen Berufungsverfahren-Monitor auf der Homepage über den aktuellen Status der jeweiligen Bewerbung.

 

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5. Verhandeln: Was ist neben Gehalt alles verhandelbar?

Wer auf Listenplatz eins gelandet ist, hat Spielraum: Je nach Konzeptpapier und Argumenten lassen sich neben Zulagen zusätzlich oder alternativ Ressourcen wie Mitarbeitende oder Ausstattungen aushandeln.

»Die Verhandlungsphase ist in Deutschland wesentlich wichtiger als im englischsprachigen Sprachraum, einfach weil es mehr zu verhandeln gibt.« – Thomas Wortmann

Die bewerbende Person kann hier proaktiv auf Hochschulmitarbeitende und die zukünftigen Vorgesetzten zukommen, um den Verhandlungsspielraum zu erörtern. Sogar Relocation‐Dienstleistungen mit zukünftigen Arbeitgebern sind verhandelbar (s. “Für die Wissenschaft nach Deutschland“).

Gerade für die Einstiegsstellen wie Juniorprofessur oder Tenure-Track sind die Verhandlungen ein absolutes Novum. Was ist ein geeignetes Besoldungsschreiben und wie sieht ein überzeugendes Konzeptionspapier aus?  Der Deutsche Hochschulverband unterstützt Wissenschlafer*innen in dieser Bewerbungsphase mit seiner Expertise.

 

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7 Tipps für den Bewerbungsprozess

1. Rechtzeitig nach Stellen Ausschau halten, bis zur Einstellung können Monate vergehen. Netzwerke pflegen!

2. Digitales Vorgespräch effektiv nutzen, gerade wenn man im Ausland ist oder nicht reisen kann (Pandemie).

3. Das eigene Netzwerk vorab prüfen oder aktivieren: Gibt es Bekannte an der zukünftigen Uni? Mit wem könnte man Kooperationen auch außerhalb der Forschung eingehen?

4. Beim Vorsingen auch auf das persönliche “Branding” achten: Es zählen Fachkenntnisse, aber auch wie diese vermittelt und sichtbar gemacht werden.

5. Fördermöglichkeiten für das jeweilige Bundesland finden und mit Kenntnissen zu Drittmittelfinanzierungen punkten (z.B. NRW-Rückkehrprogramm).

6. Gut verhandeln! Mit einem Konzeptpapier inkl. schlüssigen Argumenten ist z.B. auch eine/n zusätzliche/n Mitarbeiter*in verhandelbar.

7. Plan B bereithalten. Was, wenn es nicht klappt? Emmy Noether/ ERC-Grant /Stipendien/ Karriere in anderen Sektoren?